daniela palma caetano auer

 

   

Natura naturata oder der fraktale Blick.

Die Welt der Fraktale ist eine dynamische und reziproke. Seitdem Benoit Mandelbrot in den 70er Jahren anhand der Beobachtung einer Küstenlandschaft den Begriff des Fraktals prägte, ermöglicht der fraktale Blick so etwas wie ein anschauliches Verständnis von grenz- und disziplinüberschreitenden Zusammenhängen unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche. Nichtlineare Fraktale lassen sich zum Beispiel sowohl in der Geologie und in der Botanik als auch in der Anatomie feststellen: das Geäst eines Baumes und die Verästelung von Blutgefäßen bei Lebewesen weisen somit große strukturelle Ähnlichkeiten auf. Das Wesen der Fraktale beruht auf seiner Selbstähnlichkeit, d.h. dass sich Formen kleinster Teilchen sowohl in noch kleineren Einheiten als auch in viel größeren feststellen lassen, womit nicht nur Mikro- und Makrokosmos gleichermaßen betroffen sind, sondern ein prozessualer Vorgang zwischen Ordnung und Chaos gekennzeichnet ist.

Das ist substanziell das Gebiet, auf dem sich Daniela Palma Caetano Auer visuell (und akustisch) bewegt. Ihre zeichnerischen Recherchen gehen oft von mikroskopischen Beobachtungen aus und verdichten sich zu makroskopischen Weltbildern, was optisch ein permanentes Oszillieren zwischen Linie und Fläche und zwischen Fläche und Raum hervorruft. Der fraktale Blick macht dies möglich. Somit wird auch klar, dass es sich bei den Arbeiten von Daniela Palma Caetano Auer nicht um Malerei handelt und schon gar nicht um gestische Malerei, sondern um das Verdichten eines fraktalen Grundmusters, womit sich ein eindimensionales Modell einem zweidimensionalen annähert, aber eben nur annähert, wie sich die Dimensionalität für fraktale Mengen auch nicht unmittelbar bestimmen lässt.

Geologie und Botanik sind logischerweise auch die bevorzugten Untersuchungsgebiete von Daniela Palma Caetano Auer. Die Titel vieler ihrer Arbeiten verweisen eindrücklich auf die reiche (unterirdische) Welt von Höhlen, Flechten, Farnen, Pilzen und Mineralien: Hymenophor, Speläotheme, Scopulae, Podetien, Sphaerocyten und Vieles mehr. Ablagerungen, Ausfällungen und Lösungen spielen analog zu Naturprozessen eine wichtige Rolle in der Entstehung der Bilder von Daniela Palma Caetano Auer, die sich in den Arbeiten durch fließende Pigmente, deren Ablagerungen und Verkrustungen widerspiegeln. Die Naturbeobachtung ist demnach grundlegend für die technische Umsetzung in den Arbeiten, die einen chemisch-physikalischen Prozess nachzuvollziehen scheint. Selbstordnungsprozesse, wie sie ebenfalls in der Natur vorkommen, sind zufolge substanzielle Aspekte in der Bildgenese. Ähnlich wie in den Naturwissenschaften muss eine Versuchsanordnung im Bild hypothetisch angelegt werden um daraufhin durch Beobachtung und Notation diverse Verläufe zu fixieren, womit eigentlich auch ein musikalischer Prozess beschrieben werden kann und auch soll, denn die bildende Künstlerin ist gleichzeitig auch Musikerin. Die Analogien in den beiden Arbeitsbereichen sind evident und scheinen ein vergleichbares Reflektieren über Chaos und Ordnung, wie es die Welt der Fraktale vorzeichnet, vorauszusetzen.

Elisabeth Priedl, 2013

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